"Nicht vertretbar" in der bAV

Volksfürsorge Altersversorgung

Was bedeutet "nicht vertretbar"?

Der Begriff "nicht vertretbar" spielt eine zentrale Rolle in den Regelwerken zur betrieblichen Altersversorgung (bAV) der ehemaligen Volksfürsorge, insbesondere im Betrieblichen Versorgungswerk (BVW) und in der Versorgungsordnung von 1985 (VO 85). Diese Regelwerke enthielten Abweichungsklauseln, die es dem Arbeitgeber ermöglichten, unter bestimmten Umständen von der automatischen Anpassung der Betriebsrenten abzuweichen, wenn er diese für "nicht vertretbar" hielt.

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat die Auslegung dieses Begriffs in mehreren Urteilen präzisiert. Demnach ist "vertretbar" im allgemeinen Sprachgebrauch als "als berechtigt ansehen lassend" zu verstehen. "Nicht vertretbar" setzt demnach keine zwingende wirtschaftliche Notlage des Unternehmens voraus.

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BAG-Urteile zur Auslegung

Die Auslegung des Begriffs "nicht vertretbar" war Gegenstand mehrerer Entscheidungen des BAG im Streit zwischen Betriebsrentnern der ehemaligen Volksfürsorge und der Generali. Besonders relevant sind die Urteile vom 25. September 2018 (3 AZR 402/17) zur VO 85 und (3 AZR 333/17) zum BVW.

Das BAG stellte klar, dass die Entscheidung des Vorstands, die automatische Anpassung für nicht vertretbar zu halten, eine umfassende Interessenabwägung erfordert. Dabei müssen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens sowie die Prinzipien der Verhältnismäßigkeit und des Vertrauensschutzes berücksichtigt werden.

Im Fall des BVW (3 AZR 333/17) entschied das BAG, dass die Generali lediglich zur gleichmäßigen Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge berechtigt ist, nicht aber zur isolierten Anhebung einzelner Bestandteile wie der Pensionsergänzung. Für die VO 85 (3 AZR 402/17) deutete das BAG an, dass eine abweichende Anpassung nur in Form eines einheitlichen prozentualen Steigerungssatzes für alle Renten erfolgen darf.

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Konsequenzen für Unternehmen

Die BAG-Urteile haben verdeutlicht, dass Unternehmen bei der Berufung auf Abweichungsklauseln und den Begriff "nicht vertretbar" eine sorgfältige Prüfung und Begründung vornehmen müssen. Es reicht nicht aus, sich pauschal auf wirtschaftliche Herausforderungen zu berufen. Vielmehr ist eine substantiierte Darlegung der wirtschaftlichen Situation des Unternehmens zum Zeitpunkt der Anpassungsentscheidung erforderlich.

Die wirtschaftlichen Interessen des Unternehmens müssen gegen die Interessen der Betriebsrentner am Erhalt ihres Lebensstandards abgewogen werden, wobei die Verhältnismäßigkeit und der Vertrauensschutz maßgeblich sind. Eine rein unternehmerisch nachvollziehbare Begründung genügt nicht, wenn die Finanzierbarkeit einer Anpassung grundsätzlich gegeben ist. Zudem muss die Entscheidung des Arbeitgebers billigem Ermessen entsprechen (§ 315 Abs. 1 BGB), und im Rahmen der VO 85 muss das Verfahren zur abweichenden Anpassung vor dem Anpassungsstichtag eingeleitet worden sein.

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Rolle der Akteure

Im Streit um die Auslegung von "nicht vertretbar" spielten verschiedene Akteure eine wichtige Rolle:

  • Die Generali Deutschland AG, als Rechtsnachfolgerin der Volksfürsorge, berief sich auf die Abweichungsklauseln und argumentierte mit einem Konzernkonzept zur Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit ("SSY").
  • Der Betriebsrat und der Aufsichtsrat waren gemäß den Regelwerken im Entscheidungsprozess über eine abweichende Anpassung anzuhören.
  • Die Initiative KeineSorge.ORG formierte sich als Interessenvertretung der betroffenen Betriebsrentner und unterstützte diese maßgeblich in den Rechtsstreitigkeiten.
  • Das Bundesarbeitsgericht (BAG) präzisierte durch seine Urteile die Auslegung des Begriffs "nicht vertretbar" und stärkte damit die Rechte der Betriebsrentner.
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Bedeutung für Betriebsrentner

Die BAG-Urteile stärkten die Position der Betriebsrentner erheblich. Sie bestätigten, dass die automatische Anpassung im BVW die Regel darstellt und Abweichungen nur unter strengen Voraussetzungen und nach umfassender Interessenabwägung zulässig sind. Die Betriebsrentner betonten ihr schutzwürdiges Vertrauen in die ursprünglichen Rentenzusagen. Die Grundsätze des Vertrauensschutzes und der Verhältnismäßigkeit sind bei zukünftigen Anpassungen maßgeblich zu beachten. Zudem haben Betriebsrentner grundsätzlich einen Anspruch auf transparente Informationen über ihre Leistungen und deren Anpassung.